Noch bis ins 20. Jahrhundert war Scharlach eine gefürchtete Erkrankung. Sie führte bei infizierten Kindern häufig zum Tod, Behandlungsmöglichkeiten gab es keine. Erst in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts kam es hierbei zu einer Wende, die das Schreckgespenst Scharlach zähmte. Was Scharlach ist, wie die Krankheit sich verbreitet, welche Symptome sie hat und wie sie heute erfolgreich behandelt werden kann, wird im Folgenden erklärt.
Erdbeerzunge: Allgemeines zu Scharlach
Scharlach, auch Erdbeerzunge genannt, ist eine akute Infektionserkrankung, die häufig Kinder zwischen vier und sieben Jahren befällt. Ausgelöst wird sie durch Bakterien. Die Inkubationszeit beträgt ein bis drei Tage. Bis die Krankheit abgeklungen ist, vergehen etwa drei Wochen. Der lateinische Name für Scharlach lautet Scarlatina. Es gibt zwei verschiedene Verläufe der Krankheit, wobei einer deutlich gefährlicher ist und unbehandelt sogar zum Tod führen kann. Dieser wird Scarlatina maligna genannt. Febris scarlatina bezeichnet den im Gegensatz dazu beinahe harmlosen Verlauf.
Scharlach wurde im 9. Jahrhundert nach Europa eingeschleppt und war bis zur Entdeckung der Antibiotika sehr gefährlich. Bis heute kommt es zu Ausbrüchen und Epidemien der Krankheit. Vor allem in den Schwellenländern in Osteuropa gibt es regelmäßig Fälle von Scharlach. Auch in England gab es 2009 eine Epidemie. Die Anzahl der dabei Erkrankten überstieg die der in den letzten 20 Jahren gemeldeten Fälle zusammen.
Die Erreger
Scharlach wird durch β-hämolysierende Streptokokken der Lancefield-Gruppe A hervorgerufen. Streptococcus pyogenes gilt als der häufigste Auslöser von Scharlach und kann nur Menschen befallen. Dieses Bakterium besitzt verschiedene Virulenzfaktoren, unter anderen das M-Protein. Das M-Protein verhindert, dass Antikörper sich an das Bakterium binden können, wodurch es sich vermehren und die Krankheit auslösen kann. Eine Infektion mit Streptococcus pyogenes führt dennoch nicht zwangsläufig zu einem Ausbruch von Scharlach. Es gibt Menschen, die das Bakterium tragen, jedoch nie Scharlach hatten. Etwa jeder fünfte Mensch ist so ein Keimträger.
Entdeckung der Erdbeerzunge
Morphologisch das erste Mal beschrieben wurde Scharlach 1556 von Giovanni Filipo Ingrassia von Palermo. Wenige Jahre später folgte eine Beschreibung von Jean Coyttard, der die Krankheit als „Purpurfieber“ bezeichnete. Der englische Arzt Thomas Sydenham, der im 17. Jahrhundert lebte, grenze die leichte und die schwere Verlaufsform von Scharlach voneinander ab.
Mögliche Übertragungswege
Die Übertragung erfolgt meist als Tröpfcheninfektion. Auch über Wunden kann Scharlach sich ausbreiten. Keimträger können die Krankheit übertragen, wesentlich häufiger ist jedoch die Ansteckung durch Menschen mit Symptomen. Scharlach gilt als hoch ansteckend. Da vor allem Kinder davon befallen werden, kommt es häufig in Kindergärten zu Ausbrüchen. Besonders in den kalten Monaten von Oktober bis März bricht die Krankheit vermehrt aus. Die Bakterien müssen von einem parasitären Virus, einem Bakteriophagen, infiziert sein, um die für Scharlach typischen Symptome auszulösen.
Nur diese produzieren das Scharlach-Toxin. Ohne das Virus kommt es nur zu einer eitrigen Mandel- oder Rachenentzündung.
Von diesen Scharlach-Toxinen gibt es drei verschiedene Formen, SPE-A, -B und -C. Dadurch kann ein Mensch in seinem Leben mehrmals an Scharlach erkranken. Eine weitere Erklärung kann sein, dass die Immunität gegen das Toxin nicht lebenslang hält. Da die Erreger in hoher Zahl vertreten sind, kann dies nicht eindeutig geklärt werden. Vermutlich kommt der Mensch immer wieder in seinem Leben mit den Erregern in Kontakt und frischt dadurch seine Immunität, sofern er bereits an Scharlach erkrankt war, wieder auf. Diese Immunität gegen das Toxin verhindert jedoch nicht die Infektion mit den der Krankheit zugrunde liegenden Streptokokken. Von diesen existieren 80 verschiedene Serotypen.
Erdbeerzunge (Scharlach): Die Symptome
Die ersten Symptome, die nach der Inkubationszeit auftreten, sind meistens Fieber, Erbrechen, Schüttelfrost und Pharyngitis, eine Rachenentzündung. Auch Kopf- und Bauchschmerzen können in dieser Phase auftreten. Durch die Rachenentzündung wird der Rachen tief rot gefärbt und die Mandeln schwellen an. Es kommt außerdem zu Schluckbeschwerden und einer weiß belegten Zunge. Wenn der Belag sich löst, erscheint die Zunge glänzend rot. Die Geschmacksknospen treten deutlich hervor. Daher kommt die Bezeichnung „Erdbeerzunge“. Da dieses Symptom ebenfalls beim Kawasaki-Syndrom auftritt, muss abgeklärt werden, um welche Erkrankung es sich handelt.
In der nächsten Phase zeigt sich ein Ausschlag, der aus dicht beieinanderstehenden, roten Flecken besteht, die etwa stecknadelkopfgroß sind und hauptsächlich in den Achseln und den Lenden vorkommen. Es ist möglich, dass der Ausschlag am ganzen Körper auftritt, wobei das Mund-Kinn-Dreieck immer frei bleibt. Umgangssprachlich wird dies als „Milchbart“ bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine periorale Blässe. Etwa zwei Wochen nach Ausbruch der Krankheit kommt es zu Abschuppung der Haut. Betroffen sind meistens die Finger und Zehen, es kann aber auch dazu kommen, dass die gesamte Handfläche sich häutet.
Die Symptome eindeutig Scharlach zuzuordnen, ist oft schwierig. Nicht nur die Erdbeerzunge kommt auch bei anderen Erkrankungen vor, auch die Hautabschuppung ist kein eindeutiges Zeichen von Scharlach. Es kann ebenfalls bei Allergien und Viruserkrankungen dazu kommen, dass sich die Haut von den Fingern löst. Die Symptome müssen außerdem nicht zwangsläufig alle auftreten. Lediglich die Mandel- oder Rachenentzündung, falls die Mandeln bereits entfernt wurden, kommt bei jeder Scharlach-Infektion vor.
Der Krankheitsverlauf kann sehr mild sein. Dabei haben Erkrankte nur leichte Halsschmerzen und zeigen ansonsten kaum Auffälligkeiten. Ebenso können bei Scharlach auch starke Schmerzen, hohes Fieber und deutlich sichtbarer Hautausschlag auftreten.
Behandlung von Scharlach
Mit dem Antibiotikum Penicillin V kann die Krankheit schnell eingedämmt werden. Schon nach 24 Stunden ist ein Erkrankter, der mit diesem oder einem anderen Antibiotikum behandelt wurde, nicht mehr ansteckend. Alternativen zu Penicillin V, falls beispielsweise eine Allergie vorliegt, sind Erythromycin und Clarithromycin. Die antibiotische Therapie sollte unbedingt über zehn Tage erfolgen, auch wenn keine Symptome mehr sichtbar sind. Ansonsten kann es zu Spätfolgen, Komplikationen und einem erneuten Ausbruch der Krankheit kommen. Daneben werden noch weitere Medikamente gegeben, die begleitende Symptome bekämpfen, wie fiebersenkende Mittel oder Medikamente gegen Schmerzen.
Präventionsmaßnahmen
Einen Impfstoff, der vor Scharlach schützt, gibt es zurzeit nicht. In den 1940er Jahren wurde ein Impfstoff gegen Scharlach in Düsseldorf eingesetzt. Im Folgejahr sank die Scharlachmorbidität von 5,62 auf 0,51. Da genau in dieser Zeit Penicillin für die Bevölkerung verfügbar wurde, ist schwer einzuschätzen, ob tatsächlich der Impfstoff zum Nachlassen der Krankheit führte. Dem gegenüber steht jedoch, dass geimpfte Kinder in dieser Zeit 50mal seltener von Scharlach infiziert wurden, als ungeimpfte. Allerdings trat Scharlach schon damals wellenförmig auf. Zwischen 1915 und 1925 gab es nur wenige Fälle von Scharlach, während 1942, kurz vor der Impfung, es seit 1900 am meisten Erkrankte gab.
Daraufhin nahm die Zahl der Neuerkrankungen, wie auch zuvor ohne die Impfung, wieder ab. Ob der Impfstoff damals so wirksam war wie vermutet wird, ist daher nicht eindeutig. Zurzeit wird in Deutschland an keinem neuen Impfstoff gegen die Krankheit geforscht.
Lässt sich der Kontakt zu Erkrankten nicht vermeiden, sollte regelmäßiges Händewaschen erfolgen, um vor einer Schmierinfektion geschützt zu sein. Eine präventive Antibiotikagabe erfolgt nur bei Menschen mit Immunschwächen oder anderweitigen, besonderen Gefährdungen. Das Infektionsschutzgesetz verbietet Erkrankten und auch Personen, bei denen eine Infektion vermutet wird, den Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen oder Kindergärten. Dieses Verbot gilt sowohl für Kinder als auch für erkrankte Lehrkräfte und andere Personen, die in diesen Einrichtungen arbeiten. Erst nachdem ein Arzt bestätigt hat, dass keine Ansteckungsgefahr von dem Erkrankten mehr ausgeht, darf er zurückkehren.
Erdbeerzunge: Komplikationen und Spätfolgen
Als Folge der Abwehrreaktion des Körpers gegen die Scharlach-Erreger, kann es etwa vier bis sechs Wochen nach der Erkrankung zu verschiedenen immunologischen Krankheiten kommen. Sie werden ausgelöst durch das M-Protein, bzw. durch seine Bekämpfung durch den Körper. Die Krankheiten sind zum einen eine Endokarditis, eine Entzündung der Herzinnenhaut. Sie kann die Herzklappen zerstören und durch losgerissene Wucherungen, die an den entzündeten Stellen entstehen, zu Schlaganfällen und Embolien führen.
Das rheumatische Fieber befällt Herz, Haut, Hirn und Gelenke. Tritt nach einer durchgemachten Scharlach-Erkrankung rheumatisches Fieber auf, wird dieses ebenfalls antibiotisch und entzündungshemmend behandelt. Um zu verhindern, dass es wiederkehrt, wird mindestens fünf Jahre lang monatlich ein Depot-Antibiotikum gespritzt. Betroffene müssen lebenslang vor medizinischen Eingriffen prophylaktisch mit einem Antibiotikum versorgt werden.
Die dritte Folge einer Scharlach-Infektion ist Glomerulonephritis, eine beidseitige Nierenentzündung, die nur durch Immunsuppressiva behandelt werden kann. Unbehandelt führt sie zu Niereninsuffizienz. Es kann außerdem zu dem toxischen Schocksyndrom kommen. Dieses tritt auf, wenn die Erreger in die Blutbahn gelangen. Dies wird gerade bei Streptococcus pyogenes durch das auf ihm sitzende Virus begünstigt, da das gebildete Toxin den Weg ins Blut erleichtert. Dort führt es zu Organ- und Kreislaufversagen und kann tödlich verlaufen. Das Toxin SPE-A gilt als gefährlichstes der drei Toxine. Eine Erkrankung mit diesem Toxin löst am Wahrscheinlichsten Folgekrankheiten aus.